Kant


(aus: KR / Kleiner Roman über die Angst)

Im Traum sehe ich den Königsberger Philosophen Kant, wie er sich, auf einen Tischrand gestützt, langsam fortbewegt.
„Rehabilitationsübung“, sagt er erklärend – ich verstehe: er hat sich eine Schlägerei geleistet, nun büßt er, man hat ihm künstliche Gliedmaßen einsetzen müssen.
„Beim Schreiben kein Problem“, sagt er gleich triumphierend. „Ich bin ja kein Turnierpferd.“
Ich weiß nicht recht, wie ich ihn aus meiner Wohnung rauskriegen soll. „Das muss man erst mal leisten“, sagt er grad, und – kein Zweifel! – er meint sich selber. Ich bin erstaunt, dass er so sehr von sich überzeugt ist, nach über zweihundert Jahren. Ja, ich habe natürlich sofort das Bedürfnis, ihm mitzuteilen, dass er widerlegt ist – aber da sehe ich schon, wie er im Gesicht einfällt.
Es hat doch keinen Sinn! Wozu wäre das gut.
„Was gibt es denn zum Abendessen“, fragt er leise. „Königsberger Klopse?“ Er zwinkert mir zu.
Die dürren Hände, mit denen er sich (jetzt am Regal) abstützt!

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