Find einen Lehrer!


aus: Buck, Pianist

1.
Ich hänge mich halb zum Fenster hinaus.
Atmen.
Hinter mir grölen die andern. „Kanaille, Kanaille.“
Was haben sie denn nur ...
Draußen ist es, als hätte der Asphalt einen Riss, drüben die Windblätter der Mühle rotieren ungleichmäßig.
Wenn ich sterben muss, warum nicht jetzt.
(Weil Buck noch strotzt, von Energie.)
Einer wird in den Teppich eingerollt.
Mit der Axt schlagen sie den Geschirrschrank zusammen, das Porzellan klimpert hinaus.
Mich geht´s nichts an.
Im Wald schwemmt (glitzert, rast) ein Bach durch die Baumbestände.
Wär´ ich nur zugleich auch dort ...
- und viele Menschen zugleich.
- und die Wolke da oben.
„Buck, Schreihals, zeig uns, wie du die Lampe zum Singen bringst.“
Es juckt mich, im Kreuz! Ja! Ja! Ich fahre herum, brülle los. Kaum brech´ ich ab, halten auch die andern inne: leise – unendlich leise – singt das Metall ...
Ich ignoriere, so lang ich´s kann, alles.

2.
Als Buck die Kanaille zu Haus nicht mehr aushielt, da kam es so: er sprang das Treppenhaus hinab, lautstark, dass es rückwärts ein paar Ohrfeigen glich, und draußen war er.
Eine Karriere aber (das wisst Ihr) erfordert mehr. Als dies.
So ging er verbissen bis zur Straßenecke, vorbei an dem Briefkasten (warf nichts ein), vorbei an dem Haus, in dem der manisch-depressive Mann haust, vorbei auch da, wo die Zigarrenfrau jetzt (schöne Kleider) vor die Tür tritt – rutsch!, über die Ampel, „das ist mein Fahrrad“, losketten – fährt dicht an einem Gatter vorbei, noch das Gefährt nicht unter Kontrolle ... – die Noten, auf dem Gepäckträger eingeklemmt, fallen herunter, zerfleddert in lose Blätter.
„Calderón.“
Das ist der Mann, dem du nichts verneinen willst.
Hier, wo die Straße aufgerissen ist – die Eisengerüste stecken in der Tiefe; Straßenbahnschienen stehen (Folgen einer Explosion) rostgelb in die Höh´, die Autos fädeln sich in die Enge und passieren im Schritttempo; hier er – frag ihn nach dem Weg, das nützt gar nichts – so einfach geht es nicht ab.
„Suchst du etwas?“
„Einen Klavierlehrer.“
„Gut“, sagt er.
„Ich hatte mich aber einem andern versprochen.“
„Weißt du, wie er von dir redet?“
„Schlecht?“
Der Mann reicht mir seine riesige, dunkle Hand, nur Sehnen, Knochen, eine große Fläche.
Buck möchte sie in der seinen spüren.
„Ich glaube, du hast viel vor.“
„Ja“, sagt Buck, sieht traurig vor sich hin.
Calderóns Schüler zu sein, hat seinen Preis, Buck. (Wir werden darauf zurückkommen.)
„Nenn es Preis“, Calderón hält ihm weiter die Hand hin, „dein bisheriges Leben lehrt dich, es so zu nennen.“
Tritt ein! Tritt ein über die Schwelle; stell dich dem Kampf. Diese Tür ist für dich, für niemanden als dich ... Eine Welt, die Initiationen vorsieht (wären es auch schwere Proben!), ist eine geordnete, eine wahre Welt. Buck, du brauchst eine geistige Landkarte – sie entschädigt dich für alles ...
„Meide laute Menschen“, sagt Calderón, „sie sind eine Plage für den Geist.“
Buck lacht laut auf. „Aber nein“, ruft er, „das ist doch nur Laune.“
Buck schlägt ein. „Was du von mir forderst, will ich erfüllen.“
Hat er zwei gekreuzte Finger auf dem Rücken? Die Abmachung ist getroffen.
Es beginnt. Buck! Rundung! Vorbei die Beliebigkeit!
Ja, koste die letzten Momente der Freiheit.
Buck läuft die Waldsteige hinauf, kürzt ab, durch Gestrüpp, dann steht er oben: auf dem weißen Felsen, hinter ihm die Ruine des Wasserturms, unter ihm, milchig, grau im Dunst, die Stadt seiner Heimat. „Sic!“ Sein Abflug!
Buck wird seinem Lehrer in die Metropole folgen.

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